Ziele machen keinen Sinn mehr?
Vor kurzem meldete sich in einer Informationsveranstaltung beim Thema „Unternehmensziele“ ein etwa 30-jähriger Teilnehmer mit diesem Redebeitrag zu Wort:
„Ziele machen heutzutage ja keinen Sinn mehr. Es ändert sich alles so schnell, dass schon nach kurzer Zeit das Ziel nicht mehr passt.“
In diversen Unterhaltungen mit jüngeren Gesprächspartnern habe ich feststellen können, dass auch andere Jüngere das ähnlich zu sehen scheinen, wobei sie im Gespräch nicht groß zwischen Unternehmenszielen und persönlichen Zielen unterschieden haben. Nach ihrer Meinung haftet Zielen etwas Altmodisches, Verstaubtes an. Sie möchten keine „Effizienz-Monster“ werden. Es fallen Aussagen wie: „Ich will mich nicht einengen.“ „Das Leben kommt, wie es kommt.“ „Ich will frei entscheiden, was ich machen möchte.“ Selbst das Attribut „freiheitsberaubend“ wird in diesem Zusammenhang benutzt.
Spontan fällt mir dazu der Spruch ein: „Wer nicht weiß, wo er hin will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt.“
Es gibt durchaus eine Reihe von Situationen, in denen man nicht schon vorher weiß / nicht wissen möchte, wo man hinwill. So kann es wunderschön sein, ohne bestimmtes Ziel durch eine fremde Stadt zu streifen oder am Urlaubsort die Gegend zu erkunden oder ohne konkrete Kaufabsicht zu shoppen. Ein bestimmtes Ziel würden wir in den genannten Fällen wohl als Einschränkung oder Beeinträchtigung empfinden. Zumindest wäre das Erlebnis dann nicht mehr dasselbe.
Wer schlendert nicht mal gern einfach so über eine Messe oder surft ohne bestimmtes Ziel durchs Internet? Das Wort „Browser“ von „to browse“ meint ja genau das, nämlich „sich umsehen, stöbern“. Genau das ist auch mit dem schönen Fremdwort „Serendipität“ gemeint, das auf ein persisches Märchen zurückgeht. In seinem Gedicht „Das Hilfsbuch“ hat Eugen Roth diese „stöbernde Suche“ in amüsante Reime gefasst.
Mal etwas ausprobieren, um zu schauen, ob es einen in die richtige Richtung, zu interessanten Informationen oder Orten führt – Ist das wirklich ziellos oder nur eine andere Art, um zum gewünschten Ziel zu gelangen? Zumal man das ja nicht endlos macht.
Es unterscheidet sich zumindest deutlich von dem, was wir mit „nur reagieren statt agieren“ meinen, oder gar mit „ziellos umherirren“.
Ein Bekannter und Coach berichtet von Klienten, die voller Selbstmitleid ihre Probleme schildern und dabei in ihrer schlechten Situation geradezu „baden“. Über die Fragen des Coachs, was für eine Situation sie denn gern hätten, gehen sie einfach hinweg und erklären erneut, was sie an der derzeitigen Situation nicht gut finden.
Kann jemand, der sich so auf das fokussiert, was er nicht will, für sich eine positive Richtung einschlagen?
Wird ein Golfspieler, der sich beim Abschlagen voll darauf konzentriert, den Ball nicht in das Gebüsch oder den Teich zu schlagen, einen guten Schlag machen?
Wohl jeder Trainer würde hier anmerken, wie wichtig es ist, das Ziel im Auge zu haben.
Das Gleiche hat auch der Coach seinen Klienten zu vermitteln versucht, indem er immer wieder gefragt hat, welche Situation sie denn gern hätten.
Warum, wann und für wen sind Ziele wichtig?
Jeder Einzelne entscheidet letzten Endes selbst, wie viel Zielorientierung und Zielfokus er möchte. Wenn aber z. B. jemand seinen (Arbeits-)Tag effizient gestalten möchte, um möglichst viel abzuarbeiten, sind Ziele, Prioritäten und klare Strukturierung der zu erledigenden Aufgaben eindeutig hilfreich. Wenn jemand seine derzeitige beklagenswerte Situation ändern möchte, ist das gezielte Streben nach einer anderen wünschenswerteren Situation sicher förderlich.
Für Unternehmen mit Mitarbeitern sind Ziele meines Erachtens unverzichtbar. Kann eine Firma, die nur reagiert, optimal erfolgreich sein? Wohl nicht, wobei Ausnahmen auch hier die Regel bestätigen dürften.
Selbst wenn Unternehmensziele nicht explizit formuliert werden, dokumentieren sie sich in getroffenen Entscheidungen oder gegebenenfalls in Unterlassungen, die ja auch Entscheidungen darstellen. Sind Ziele für die Mitarbeiter nicht klar erkennbar, handeln sie nach ihren eigenen Vorstellungen und Zielen – mit entsprechender Rückwirkung auf das Unternehmen.
Was spricht für Ziele
- Unsere Zeit und unsere Energie sind begrenzt. Mit einer klaren Richtung, mit einem Ziel, konzentrieren wir die Ressourcen und vergeuden weniger Zeit und Energie für Um- und Irrwege. Das Unternehmen und seine Mitarbeiter werden produktiver.
- Ziele bringen Klarheit – Marketing ist „die Kunst, etwas mit wenig Worten zu sagen“. Etwas Ähnliches gilt auch für Ziele. Sie klar zu formulieren und aufzuschreiben zwingt geradezu, Klarheit zu erreichen über das, was man wirklich möchte.
- Erreichbare Ziele sorgen für das klare WARUM. Das wiederum bewirkt Entschlossenheit, Energie, Antrieb und Schaffenskraft, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz, Resilienz, Motivation und Begeisterung – alles, was die Erreichung von Zielen unterstützt.
- Woran soll man Erfolg messen, wenn man kein Ziel hat?
- Ziele setzen heißt auch – Weg von Problemen und Sorgen.
- Ziele machen interessant. Als Unternehmer oder Privatperson können Sie über das sprechen, was Sie erreicht haben oder erreichen wollen. Das ist in vielen Fällen interessanter als sich zu allgemeinen Themen zu äußern.
- Die mögliche Zielerreichung sorgt für Vorfreude und gute Stimmung. Ein erreichtes Ziel schafft Zufriedenheit und (Selbst-) Vertrauen. Das gilt für Unternehmen und alle Mitarbeiter genauso wie im privaten Leben. Der Bergsteiger, der den Gipfel erreicht, erlebt diesen Augenblick mit hoher Intensität und macht sich zufrieden an den Abstieg.
Ohne langfristige Ziele ist es deutlich schwieriger!
Investoren und Kapitalgeber honorieren Unternehmen mit klaren anspruchsvollen Zielen. Anderen geben sie kaum eine Chance. Das sieht man sowohl am Kapitalmarkt als auch bei Banken und anderen Geldgebern.
Vielleicht haben Sie schon von einer Langzeitstudie der amerikanischen Harvard Universität „The Power of written goals“ vernommen, die einen Beleg für das obige Argument liefert / liefern soll.
Angeblich oder tatsächlich wurde in dieser Studie 1979 ermittelt, dass nur 3% aller Absolventen klare Ziele haben und auch aufgeschrieben haben. Weitere 13% hatten ein Ziel, haben dieses aber nicht aufgeschrieben. Die restlichen 84% hatten nach ihrer Aussage keine Ziele.
1989, 10 Jahre später, wurden diese Ergebnisse festgestellt:
o Die 13% mit nicht aufgeschriebenen Zielen haben im Durchschnitt das Doppelte verdient wie die 84% der Absolventen ohne Ziele.
o Die 3%, die ihre klaren Ziele aufgeschrieben haben, haben im Durchschnitt das Zehnfache verdient wie die anderen 97%.
Zu dieser Studie und vor allem einer weiteren von Harvard zu einem ähnlichen Thema aus dem Jahr 1953 gibt es im Internet diverse Kritik und Zweifel. Aber unabhängig von Yale und Harvard hat Dr. Gail Matthews an der Dominican University in Kalifornien ebenfalls eine Studie durchgeführt, die die große Wirksamkeit aufgeschriebener Ziele eindeutig bestätigt.
Ziele sind für Unternehmen unverzichtbar und für Privatpersonen zumindest eine wichtige Unterstützung für Erfolg, Zufriedenheit und Glück. Deshalb komme ich auf das Thema „Ziele“ sicherlich nochmal zurück. Den heutigen Beitrag beende ich mit einem Zitat von Arthur Schopenhauer:
„Handlungsmaximen sind notwendig, um der Schwäche des Augenblicks Widerstand leisten zu können.“
Ludger Grevenkamp
7. Mai 2018
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