Chancen einer Akquisition aus “offensiven” Beweggründen
Einer der meist genannten Beweggründe für eine Akquisition ist die Erkenntnis, dass Wachstum allein aus eigener Kraft zu langwierig ist. Meistens liegen jährliche Raten organischen Wachstums einer Firma im einstelligen Prozentbereich. Bei einem durchschnittlich 5 %-igen jährlichen Wachstum zum Beispiel benötigen Sie fast 15 Jahre, um Ihren Umsatz zu verdoppeln. Selbst bei einem Wachstum von 10 % pro Jahr dauert eine Umsatzverdoppelung immer noch sieben Jahre. Schneller-Wachsen geht hier nur über „anorganisches Wachstum“, über einen Unternehmenszukauf.
Aber warum wollen oder sollten Unternehmen überhaupt wachsen?
Wachstum und Größe
Ein Kernargument heißt Skaleneffekte oder “economies of scale”. Bei produzierenden Unternehmen bedeuten größere Stückzahlen in der Regel niedrigere Stückkosten. Die Produktivität steigt. Viele Maschinen erfordern Mindeststückzahlen, damit sie sich rechnen. Anders kann es sich natürlich verhalten, wenn alle Maschinen gerade voll ausgelastet sind, und ein weiteres Wachstum die Anschaffung zusätzlicher Maschinen mit entsprechenden sprungfixen Kosten erfordern würde.
Viele Investitionen, vor allem Entwicklungsaufwendungen, rechnen sich leichter, wenn sie auf eine größere Menge produzierter Güter umgelegt werden können.
Beim Einkauf von Material sind häufig Mindestbestellmengen vorgegeben. Bei größeren Abnahmemengen sinken die Kosten. Die Preisdegression bei größeren Abnahmemengen hat bekannterweise besonders hohe Bedeutung bei Handelsunternehmen. „Im Einkauf liegt der Gewinn“ heißt das Sprichwort.
Natürlich müssen die zusätzlich erzeugten Waren auch abgesetzt werden (können). Hierbei unterstützen jedoch wesentliche Aspekte: Die aus der Größe resultierenden Kostenvorteile ermöglichen niedrigere Verkaufspreise, die einen höheren Absatz fördern können. Höhere Marktanteile und mehr Kundenbeziehungen sorgen für bessere Sichtbarkeit im Markt.
Für Dienstleistungsunternehmen entfallen weitgehend die genannten Vorteile in Produktion oder Materialbeschaffung. Hier treten andere Aspekte in den Vordergrund. Ein größeres Unternehmen hat beispielsweise mehr Möglichkeiten, Schwankungen in der Nachfrage auszugleichen. Die Anschaffung von Werkzeugen, Tools und anderen Hilfsmitteln rechnet sich eher. Der Aufwand für Kompetenz-Erarbeitung und -Erhalt lässt sich leichter umlegen.
Basiert das Geschäftsmodell des Dienstleisters vor allem auf sehr spezifischen Kompetenzen, ist aber wichtig, dass das Wachstum von hoch qualifiziertem Personal mit der zunehmenden Größe des Unternehmens Schritt hält.
Größenvorteile gelten auch in den „Gemeinkosten-Bereichen“ über alle Branchen hinweg. Weitgehend unabhängig von der Umsatzhöhe fallen viele grundlegende Aufgaben in Marketing, Vertrieb, Verwaltung und Service auf jeden Fall an. Sie sind eine Art Basis-Belastung. Steigt jetzt der Umsatz, nimmt der Aufwand in den genannten Bereichen meistens nur unterproportional zu.
Manche Möglichkeiten, z. B. ein flächendeckendes Vertriebsnetz oder bestimmte Werbemethoden, ergeben sich erst ab einer bestimmten Umsatzgröße.
Fachkräfte mit speziellen Kompetenzen interessieren sich in der Regel nur für ausreichend große Unternehmen, denn ein kleineres könnte sie vielleicht gar nicht adäquat auslasten.
Für alle anderen Beschäftigten ist es ebenfalls attraktiver, in einem wachsenden Unternehmen zu arbeiten. Das signalisiert Arbeitsplatzsicherheit und wirkt sich positiv auf Leistungsfähigkeit und -bereitschaft aus. Der Drang einzelner Mitarbeiter, das Unternehmen zu verlassen, sinkt. Das Gewinnen neuer Mitarbeiter wird erleichtert. Damit sinken auch die durch Fluktuation und Recruiting verursachten Kosten.
Auch die Kunden sind ein Argument für Wachstum und mehr Größe. Das beginnt schon beim Werbebudget. Um sich gegen die Werbeausgaben der großen Unternehmen zu behaupten, ist mehr eigene Größe ein Vorteil.
Die meisten Kunden verbinden Größe mit finanzieller Stärke und Kompetenz. Wenn dann noch Preis und Kundennähe stimmen, bekommt das größere Unternehmen häufiger den Zuschlag. Ein Unternehmen, das auch überregionale und internationale Kunden erfolgreich bedienen möchte, braucht ohnehin eine entsprechende Größe.
In Wachstum und mehr Größe steckt also viel „organisches Synergiepotenzial“.
Wie geht es weiter?
Es gibt zahlreiche weitere Chancen für eine Akquisition mit „offensiven“ Beweggründen. Das ist das Thema meines nächsten Blogs.
Wenn von Mergers & Acquisitions (M&A) die Rede ist, denken viele vor allem an große Unternehmen und deren Übernahmen oder Fusionen. Jüngste Beispiele: die geplante, aber von der EU untersagte Verkehrstechnik-Fusion zwischen Siemens und Alstom oder die Übernahme des amerikanischen Saatgutherstellers Monsanto durch die Bayer AG. Hin und wieder wird über chinesische Käufer deutscher Firmen berichtet. Die Übernahme des Roboterherstellers Kuka vor gut zwei Jahren sorgt auch heute noch für Diskussionen.
Eher selten und wenn, dann meistens zufällig, hört man von Zukäufen und Fusionen kleinerer mittelständischer Unternehmen.
Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (2008-2017) wurden in Deutschland pro Jahr etwa 1.100 mittelständische Unternehmen übernommen. Die Käufer kamen zu 40 – 50 % aus dem Ausland, darunter stark zunehmend aus China. Wenn wir jetzt die Übernahmen mittelständischer Firmen durch Großunternehmen, Finanzinvestoren sowie durch internes oder externes Management (MBO/MBI) abziehen, dürfte die Anzahl der Akquisitionen durch mittelständische deutsche Firmen nicht einmal ein Drittel aller Transaktionen pro Jahr betragen haben. Auch wenn die vielen Kleinstunternehmen im Mittelstand als Käufer nur bedingt in Betracht kommen, sind wenige hundert Akquisitionen pro Jahr durch mittelständische Unternehmen eine verschwindend kleine Zahl angesichts der vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland.
Akquisition – eine wirkmächtige strategische Option
Dabei gibt es enorme strategische Chancen durch einen Unternehmenszukauf. Die Vielzahl möglicher Beweggründe für eine Akquisition unterstreicht dies. Natürlich gibt es auch Risiken. Nicht ohne Grund scheitern zu viele Akquisitionen. Damit werde ich mich natürlich ebenfalls noch näher befassen.
Bei fast allen strategischen Überlegungen sollte die Alternative „M&A“ zumindest einbezogen werden. Auch bei Veränderungen im Marktumfeld, die auf externe Einflüsse zurückzuführen sind, sollten immer auch Lösungsansätze berücksichtigt werden, die den Zukauf eines Unternehmens beinhalten.
Hierbei ist es von geringerer Bedeutung, ob eine Transaktion geplant erfolgt oder ungeplant – aufgrund einer sich überraschend bietenden Gelegenheit.
Festzustellen ist: Akquisitionen werden im Mittelstand viel zu selten praktiziert. Der Zukauf eines Unternehmens bietet große strategische Chancen und verbessert die Position Ihres Unternehmens im Markt grundlegend. Kaum eine andere strategische Maßnahme ist gleichermaßen effektiv. Das gilt unbedingt auch für mittelständische Unternehmen.
Wie geht es weiter?
Um die vielen Beweggründe und Chancen einer Akquisition etwas übersichtlicher zu gestalten, habe ich eine Einteilung nach Beweggründen gewählt. Ist die Entscheidung für eine Akquisition aktiv /offensiv oder ist sie reaktiv/defensiv erfolgt? Sind es grundlegende strategische Überlegungen, die eine Akquisition nahelegen, oder sind eher unerwartete oder erst jetzt relevante Veränderungen im Marktumfeld der Beweggrund für einen Unternehmenskauf?
Natürlich ist mir bewusst, dass die Trennlinie hier nicht scharf gezogen werden kann. Denn im Endeffekt gelten fast alle Chancen eines Zukaufs unabhängig vom Beweggrund. Und ebenso die Risiken.
Im nächsten Blog starte ich mit den Chancen einer Akquisition aus aktiven/offensiven Beweggründen.
Ludger Grevenkamp 30. April 2019
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Agil sein. Immer mehr Unternehmen möchten agil sein oder agiler werden. Häufig äußert sich dieser Wunsch in Verbindung mit Digitalisierung. Es fallen Stichworte wie „sich selbst neu erfinden“ oder „der Disruption durch einen noch unbekannten Konkurrenten zuvorkommen“. Es entsteht manchmal fast der Eindruck: Die Organisation solle „agiler werden“, um nicht als wenig modern oder gar rückständig zu gelten. „Agil“ liegt offensichtlich voll im Trend.
Was ist eigentlich „agil“?
Laut Duden bedeutet „agil“: „von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig“. Es ist in vielen Fällen ein Synonym für „flexibel“. Statt dieses schon etwas abgenutzten und recht allgemeinen Begriffes wird heutzutage gern „agil“ verwendet.
Aber „agil“ meint mehr als „flexibel“. Es beinhaltet auch Aspekte anderer Attribute wie „zeitnah“, „schnell“, „lösungsorientiert“, „anpassungsfähig“, „pragmatisch“, „souverän im Umgang mit Veränderung“. Also alles Eigenschaften, die sich ein Unternehmer für seine Organisation wünscht. Insbesondere dann, wenn es um die Beziehung zu Kunden geht. Wenn von „Agilität“ die Rede ist, ist deshalb häufig „Kundenorientierung“ gemeint. Es präzisiert diese aber nochmal deutlich, wie z. B.: Auf den Wunsch des Kunden ist möglichst zeitnah und lösungsorientiert zu reagieren.
Dass der Kunde im Mittelpunkt steht / stehen sollte, ist keine neue Erkenntnis. Unabhängig von der Realität im täglichen Geschäftsleben hat man sich an solche Statements in einschlägigen Publikationen gewöhnt.
Agilität in der Kundenbeziehung geht aber sehr viel weiter: Umständliche innerbetriebliche Regeln und geruhsames Vorgehen sind fehl am Platz. Sich mit internen Problemen zu beschäftigen und den Kunden dabei (fast) zu übersehen, ist der falsche Weg. Internes, ohne direkten Bezug zum Kunden, hat hintan zu stehen. Und wo es regelmäßig oder längerfristig Kundenbeziehungen beeinträchtigen könnte, ist es Aufgabe vor allem des Managements, hier für Veränderungen zu sorgen. Die volle Aufmerksamkeit hat dem jeweiligen Kunden zu gelten.
Agilität in der Softwareentwicklung
Es war vor allem die Softwareentwicklung, die unser heutiges Verständnis des Begriffs „Agilität“ geprägt hat. Um die Jahrtausendwende herum suchte man neue Methoden und Vorgehensweisen, um den Entwicklungsprozess zu beschleunigen. Die neue Software sollte früher eingeführt werden können. Hier kommt der Begriff „agil“ in all seinen Facetten zum Tragen: schnell, lösungsorientiert, anpassungsfähig, flexibel, unbürokratisch, usw.
Diese Überlegungen prägen zunehmend die Softwareentwicklung mit den sich daraus ergebenden notwendigen Veränderungen: Die am Prozess beteiligten Menschen, Kunden bzw. Auftraggeber und Mitarbeiter, stehen im Vordergrund. Vor allem wichtig ist, dass die Software tut, was man von ihr erwartet. Planen ist gut, aber „wendig“ auf neue Erkenntnisse oder veränderte Anforderungen zu reagieren, ist besser. Statt langwieriger Vertragsverhandlungen ist Zusammenarbeit mit dem Kunden angesagt. Um all das zu erreichen, sind sich selbst organisierende Teams fast eine natürliche Konsequenz. Unterstützt und teilweise erst möglich wird dieser neue Ansatz mit Techniken wie „Scrum“, „Kanban“ oder „Adaptive Software Entwicklung“.
Das, was im traditionellen Softwareentwicklungsprozess viel Zeit und Kosten verursacht hat, wie z. B. Spezifikation der einzelnen Funktionen, Software-Dokumentation, Planung oder Vertragsgestaltung, tritt bei einer agilen Vorgehensweise in den Hintergrund. Das allem übergeordnete Ziel ist hier eine möglichst frühzeitig einsetzbare und funktionierende Software.
Agile Organisation / agile Führung
Die Erkenntnisse aus der agilen Softwareentwicklung und die dabei gemachten Erfahrungen waren Ausgangspunkt einer ganzheitlich agilen Organisation, die ähnlichen Prinzipien folgt und die die in der Softwareentwicklung bewährten Denk- und Arbeitsweisen übernimmt. Daraus entstanden sind die Hauptkriterien einer agilen Organisation, wie ich sie in meinem Beitrag Ende letzten Jahres beschrieben habe: Extreme Zukunftsorientierung, besondere und vielfältige Stärken, intensiver ständiger Austausch mit der Umwelt und, besonders wichtig, agile Führung.
Allerdings bietet dieser Wikipedia-Artikel zu Agilität inhaltlich unerwartet wenig. Es ist auch deutlich zu spüren, dass der Verfasser Agilität aus dem Blickwinkel einer klassischen Organisation erläutert. Agilität wird im Wesentlichen auf organisatorische Aspekte und mechanistische Instrumente reduziert. Die extreme Wichtigkeit und das grundlegend Andere der agilen Führung wird kaum erkennbar.
Bei Wikipedia werden sechs Dimensionen aufgezählt, die eine agile Organisation auszeichnen: Agiles Zielbild, Kundenorientierte Organisationskultur, Iterative Prozesslandschaften, Mitarbeiterzentriertes Führungsverständnis, Agile Personal- und Führungsinstrumente, Agile Organisationskultur.
Was meint der Autor mit „Mitarbeiterzentriertes Führungsverständnis“?
Sein erster Satz ist ein Zitat von Haufe-Lexware: „Die Führungskraft stellt sich in den Dienst der Teams, um zusammen schneller Nutzen für den Kunden zu schaffen.“ Sein zweiter dann: „In agilen Organisationen sind die Führungskräfte nicht kontrollierende Vorgesetzte, die Druck auf ihre Mitarbeiter ausüben, sondern sie übertragen den Mitarbeiterteams Verantwortung.“ – Was soll man dazu sagen?
„Agile Personal- und Führungsinstrumente“ konzentrieren sich im Wesentlichen auf das Personalwesen (HR), das „der entscheidende Katalysator agiler Transformation“ ist.
Dieser Kulturwandel bedeutet einen Wandel bei Systemen & Prozessen sowie die „richtige Einstellung“ („Mindset“) aller Beschäftigten.
Systeme & Prozesse: In der Organisation müssen entsprechende Arbeitsmittel zur Verfügung stehen, und entsprechende Prozesse müssen etabliert sein. Nur dann schaffen es die Beschäftigten, „immer das Richtige für den Kunden [zu] tun“. Das bedeutet vor allem hohen Fokus auf Qualität, auf Lieferzeit und auf Kosten.
Richtige Einstellung (Mindset): Diese kommt in den acht Komponenten der Agilität zum Ausdruck, mit denen Gallup den Kulturwandel umschreibt: Kooperation, Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung, Fehlerkultur, Empowerment, Förderung neuer Technologien, Simplizität, Wissensaustausch, Innovationsoffenheit.
So verhilft Agilität den Unternehmen zu mehr „Wettbewerbsfähigkeit und Geschäftserfolg“.
Leider scheinen allerdings deutsche Unternehmen nicht besonders häufig agil zu sein, wenn man der Befragung von Arbeitnehmern durch Gallup in 2018 glaubt. Danach sind ganze 10 % der deutschen Unternehmen agil, weitere 34 % teilweise agil und die verbleibenden 56 % nicht agil. Unsere europäischen Wettbewerber schneiden da deutlich besser ab.
Wie wird ein Unternehmen agil?
Wie man auch aus den Beschreibungen von Gallup ersehen kann, entsteht nicht „über Nacht“ aus einem nicht agilen Unternehmen eine agile Organisation. Dabei ist es vergleichsweise einfach, die Systeme und Prozesse, von denen Gallup spricht, so zu verändern, dass sie den Beschäftigten eine hohe Kundenorientierung ermöglichen.
Aber es bleibt der Mindset. Wer daran nicht arbeitet, nutzt die Möglichkeiten der Agilität bei Weitem nicht aus. Man kann hier leider keinen „Schalter umlegen“ und es gibt auch kein Tool, um aus einem „konventionellen Unternehmen“ eine agile Organisation zu machen. Der Wandel von einer hierarchisch-direktiven Führung, so wie sie heute mehrheitlich in Deutschland praktiziert wird, zur agilen Führung wird nicht in einem Schritt funktionieren.
Dieser Kulturwandel kann nur gelingen über die sukzessive Öffnung und Weiterentwicklung der Organisation zu Führung 4.0 und von dort weiter zu agiler Führung. Schrittweise können und müssen die Führungskräfte und Mitarbeiter in die neue Führungskultur hineinwachsen sowie die Organisation des Unternehmens anpassen und weiterentwickeln.
Es gibt Möglichkeiten, diesen Prozess zu beschleunigen. Eine besteht darin, ein entsprechend geführtes Unternehmen, z. B. ein Startup, zu erwerben. Führungskräfte aus dem „Stammunternehmen“ arbeiten zeitlich befristet in dieser neuen Organisationseinheit, lernen so die neue Führungskultur kennen und erwerben konkrete Erfahrungen. Eine andere besteht darin, mit agiler Führung vertraute Führungskräfte in das Unternehmen zu holen und mit Unterstützung der Unternehmensleitung agile Strukturen, Methoden und Führung in Teilbereichen umzusetzen.
Auch gezieltes Training und entsprechende Workshops für Führungskräfte und Mitarbeiter helfen bei dieser Transformation. Aber egal, welchen Weg Sie wählen, an einer Tatsache kommt niemand vorbei: Wenn eine Führungskraft bisher nicht gelernt hat und gewohnt war, agil zu führen, muss sie sich ändern. Sie muss sich selbst ändern – und das ist bekanntlich das Schwerste.
Ludger Grevenkamp 7. März 2019
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Strategie und Führungskultur müssen zueinander passen
Schon an verschiedenen Stellen habe ich darauf hingewiesen: Unternehmensstrategie und Führungskultur müssen zueinander passen.
Vermutlich war es Peter Drucker, der dies besonders provokant formuliert hat: „Culture eats strategy for breakfast.“
Oder anders ausgedrückt: Die beste Unternehmensstrategie ist wertlos, wenn sie nicht auf einer dazu passenden Führungskultur aufbauen kann.
Ein Unternehmen mit hierarchisch-direktivem Führungsstil wird kaum auf Dauer in einem hoch-innovativen und sich schnell wandelnden High-Tech-Markt erfolgreich sein. Die Strategie dieses Unternehmens mag zwar durchaus den Gegebenheiten dieses Marktes, in dem es ständig um technologische Weiterentwicklungen und deren Anwendungen geht, gerecht werden. Der hierarchisch-direktive Führungsstil wirkt aber angesichts eines sich schnell wandelnden und komplexen Marktumfelds wie eine angezogene Handbremse.
Der hierarchische Führungsstil hat sich in einem Umfeld entwickelt und bewährt, in dem schnelle kompetente Entscheidungen erforderlich waren und die Verfügbarkeit hierzu fähiger Personen begrenzt war. Das ist mit den heutigen in der Regel sehr gut ausgebildeten Beschäftigten deutlich anders. Deren Potenzial und damit verbundene Chancen werden bei einem solchen Führungsstil nur bedingt genutzt. Motivation, Eigeninitiative und Engagement werden zumindest „gedeckelt“. Alles in allem sind das keine guten Voraussetzungen, um die Möglichkeiten des oben beschriebenen Marktes optimal zu nutzen.
Es erleichtert das Verständnis, wenn wir den Markt als Bindeglied zwischen Strategie und Führungskultur verstehen. Allgemein können wir ja davon ausgehen, dass sich Unternehmen mit ihrer Strategie möglichst optimal an ihrem jeweiligen Marktumfeld orientieren. Hierbei sei unterstellt, dass keine besonderen Bedingungen vorliegen, wie zum Beispiel große wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Unternehmens.
Damit lässt sich die obige Feststellung umwandeln in: „Marktumfeld und Führungskultur müssen zueinander passen.“ Oder: Jedes Marktumfeld „favorisiert/belohnt“ die passende Führungskultur.
Das folgende Schaubild verdeutlicht diesen Zusammenhang: Je schneller der Wandel des Marktumfelds und je höher dessen Komplexität, umso mehr spricht für Führung 4.0 oder für eine agile Organisation.
Diese Einordnung kann natürlich nur eine grobe Orientierung sein. Es entscheidet sich immer beim einzelnen Unternehmen, ob Unternehmensstrategie, Marktumfeld und Führungskultur zueinander passen.
In Deutschland gilt heute für die meisten Branchen und deren Unternehmen, insbesondere dann, wenn sie international oder sogar weltweit tätig sind: Das Marktumfeld ändert sich schnell und dessen Komplexität ist hoch. Für die meisten Unternehmen bedeutet das: Führung 4.0 ist heute die am besten geeignete Führungskultur.
Damit ist ein Wandel von der heute noch vorherrschenden klassischen Führung mit hierarchisch-direktivem Führungsstil hin zu Führung 4.0 mehr als dringend zu empfehlen. Dies wünschen sich auch, wie bereits erwähnt, die Beschäftigten mit einer überwältigenden Mehrheit von 94 %.
Dass dies nicht einfach ist, und schon gar nicht auf Knopfdruck passiert, wird wohl jedem klar sein. Sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter müssen einen entsprechenden Weg zurücklegen. Seminare, Workshops und ähnliche Maßnahmen können dabei helfen, aber Illusionen sollte sich keiner machen. Und auch nicht von Anbietern entsprechender Schulungen machen lassen! Hier braucht es mehr. Vor allem von den Führungskräften wird nämlich etwas besonders Schwieriges verlangt: Sich selbst zu ändern.
In weiteren Beiträgen werde ich sicherlich noch darauf zurückkommen, wie diese Herausforderungen leichter zu meistern sind.
In einigen Branchen, vor allem wenn deren Unternehmen nicht sehr stark im Ausland engagiert sind, ist das Marktumfeld wenig komplex. Dort wird, wie das obige Schaubild zeigt, eine klassische Führungskultur weiterhin erfolgreich sein (können). Wichtig ist allerdings auch hier, dass die Führungskräfte den Beschäftigten zuhören und auf deren Erwartungen Rücksicht nehmen.
Ist das Marktumfeld einer Branche extrem komplex und wandelt sich sehr schnell, z. B. weil sich deren Unternehmen mit neuesten Technologien befassen (Musik- und Video-Streaming, KI, Blockchain, usw.) dürfte agile Führung das am besten passende Führungsmodell sein.
Dies verwechseln Sie bitte nicht mit dem Wunsch vieler Unternehmen, agiler zu werden. Das wird das Thema meines nächsten Beitrags sein.
Ludger Grevenkamp 13. Februar 2019
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Eine weit verbreitete Meinung ist, dass Startups agile Unternehmen sind. Was ist an dieser Meinung dran? Oder hat diese Einschätzung nur mit Merkmalen von Startups zu tun, die denen einer agilen Organisation ähneln?
Extreme Zukunftsorientierung Ein Startup ist wohl immer sehr zukunftsorientiert. Es hat ja typischerweise keine Vergangenheit. In einer neuen Geschäftsidee steckt eine Menge Hoffnung und sicherlich auch Ungewissheit, „wie sich das Ganze entwickelt“. Also steht die Zukunft stark im Fokus. Ähnliches gilt in den meisten Fällen für die Kundenfokussierung. Schließlich hängt der Erfolg des Startups vor allem von den ersten Kunden ab.
Besondere Stärken So lange eine Startup Firma nur wenige Personen umfasst, die sich häufig auch schon länger kennen, ist der Umgang miteinander eher unkompliziert und sehr offen. Das sind wichtige Stärken. Was aber ist mit Querdenkertum, vielfältiger Erfahrung und den anderen Stärken einer agilen Organisation? Siehe auch obiges Schaubild.
Ständiger Austausch mit der Umwelt Hier gibt es wohl größere Unterschiede zwischen einzelnen Startups. Zumindest habe ich mehrere Startups kennengelernt, die diesem Aspekt relativ wenig Beachtung geschenkt haben. Stattdessen wird häufig (zu) viel Zeit und Engagement auf den internen Austausch verwandt – bei mangelnder Ergebnisorientierung. Aber gerade der intensive Austausch mit allen möglichen Marktteilnehmern, persönlich und über das Netz, ist ein wichtiges Element einer agilen Organisation.
Agile Führung Vieles geschieht bei Startups auf Zuruf. Meistens schon begünstigt durch die räumliche Konstellation. Alle bekommen quasi automatisch mit, was die anderen gerade machen oder vorhaben. Solange es mit dem „Projekt“ voran geht, sitzt das Startup-Team „in einem Boot“ und verhält sich meistens auch so. Diese Art der Kommunikation und Zusammenarbeit kann andererseits aber auch ein Nachteil sein. Formale Strukturen sind in einem Startup nämlich eher die Ausnahme. Vor allem, wenn es außer den Gründern noch keine weiteren Mitarbeiter gibt. Mit der Folge, dass immer wieder viel mehr als nötig oder förderlich diskutiert wird. Ähnlich wie in einer wenig strukturierten und mangelhaft organisierten Besprechung.
Wenn wir die obigen vier Kriterien zugrunde legen, sind Startups, eher selten, bewusst agil organisiert und geführt. Aber aufgrund der erst vor kurzem stattgefundenen Gründung, der gemeinsamen Begeisterung für die Geschäftsidee und deren Umsetzung und des noch kleinen Teams ähneln Arbeitsweise und Verhalten von Startups in vielem einer agilen Organisation. Und so nutzen Startups, wie gesagt: meistens unbewusst, die für sie fast immer vorteilhafte agile Organisationsform.
Eine agile Organisation und agile Führung fallen einem Unternehmen aber nicht einfach zu. Ohne sich gezielt an den Prinzipien einer agilen Organisation auszurichten und geeignete Methoden zu praktizieren, wird es schwierig werden.
Wie viel von ihrer Arbeitsweise und Ihrem Verhalten werden Startups beibehalten, wenn sie wachsen oder wenn es mal nicht so gut läuft oder sie gar in Schwierigkeiten geraten?
Spätestens jetzt sind die entscheidenden Fragen an ein Startup-Team:
Wie sehr WOLLEN sie eine agile Organisation sein und sich an den entsprechenden Kriterien orientieren?
Sind die Eigentümer, die ja meistens auch das Unternehmen leiten, in der Lage, „agil zu führen“?
Sind sie bereit, ein für sie passendes Methodenframework aufzubauen und zu praktizieren?
Mit jedem Monat, in dem sich ein Startup nicht bewusst für eine agile Organisationsform entscheidet, ähnelt es mehr einem schon länger bestehenden Unternehmen. Und teilt zunehmend dessen Schwierigkeiten, wenn es darum geht, ein agiles Unternehmen zu werden.
Aber dazu im nächsten Beitrag mehr.
Ludger Grevenkamp 18. Januar 2019
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Die letzten beiden Beiträge zum Thema „Führungskultur und Strategie“ hatten das Klassische Führungsbild und Führung 4.0 zum Inhalt. Heute geht es um agile Organisation / agile Führung.
Im Wesentlichen sind es vier Aspekte, die eine agile Organisation beschreiben:
Eine agile Organisation ist in extrem hohem Maße zukunftsorientiert. Da sich das Marktumfeld und auch die Kundeninteressen sehr schnell wandeln (können) und keiner genauer weiß, was kommen wird, agiert eine solche Organisation vorwiegend experimentell und iterativ. Die Mitarbeiter entwickeln immer wieder denkbare zukünftige Marktsituationen und Szenarien, und sie überlegen, wie das Unternehmen damit optimal umgehen könnte. Szenarien sind z. B. auch Entwürfe und Prototypen neuer Produkte oder Produktfunktionen. Inkrementale Verbesserungen und Weiterentwicklungen haben Vorrang vor dem “großen Wurf”. Das gilt auch für konkrete Kundenanforderungen.
Eine erfolgreiche agile Organisation erfordert vielseitige undbesondere Stärken. Auf ein klassisch organisiertes Unternehmen wirken einige eher befremdlich. Z. B.: Querdenkertum, extreme Offenheit, Fehlertoleranz, Selbstorganisation, Commitment, usw.
Der ständige intensive Austausch mit der Umwelt, vor allem über das Netz, ist ein weiteres zentrales Element. Möglichst viele Gespräche mit Kunden, Interessenten und anderen Marktteilnehmern ergänzen diesen Austausch. So besteht eine größere Chance, möglichst frühzeitig erahnen zu können, was in Zukunft zu erwarten ist.
Die agile Führung unterscheidet sich fundamental vom klassischen Führungsbild. Sie geht auch noch deutlich über Führung 4.0 hinaus.
Zieldefinitionen, die das Handeln bestimmen (Management by Objectives), werden in der agilen Führung abgelöst vom Bestreben, die Komplexität des Marktumfelds durch Mustererkennung zu reduzieren. Das Wissen darüber, welche Handlungsstrategien erfolgreich sind, wird ersetzt durch das Erkennen und Wissen, welche Rahmenbedingungen wichtig sind. Denn diese sind eine Voraussetzung für den Erfolg. In einer hierarchischen Organisation wirken Führungskräfte vor allem über ihre Position in der Organisationsstruktur. Sie verstehen sich als verantwortliche Vordenker für ihre Mitarbeiter. In der agilen Organisation dagegen sind Führungskräfte in erster Linie Teilnehmer, die, wie alle anderen auch, möglichst viel zu den Unternehmensaufgaben und deren Lösung beitragen. Hierbei kommt es vor allem darauf an, welche Resonanz die Impulse, die von den Führungskräften ausgehen, bei den anderen Teilnehmern erzeugen.
Schon an dieser Kurzbeschreibung agiler Führung wird überdeutlich, wie sehr die starke Zukunfts- und Kundenorientierung einer agilen Organisation die Art zu führen beeinflusst und prägt. Denn alle, Führungskräfte und Mitarbeiter, „sitzen in einem Boot“. Oder wie es im obigen Schaubild heißt: „in einem Segelschiff in unbekannten Gewässern mit häufig wechselnden Winden ohne gültige Seekarte“.
Einerseits ist Zurückhaltung geboten, da keiner der Teilnehmer weiß, wie sich alles entwickeln wird. Vorgegebene konkrete Ziele und Handlungsmaximen haben hier keinen Platz. Ein „Vorgesetzter“, der regelmäßig „vordenkt“, in der Erwartung, dass die anderen Teilnehmer einfach folgen, ist in einer agilen Organisation UNdenkbar.
Andererseits sind alle Mitarbeiter bestrebt, möglichst umfassende Informationen, Gesetzmäßigkeiten und Randbedingungen zu sammeln, die zukünftige Entwicklungen beeinflussen könnten. Das gilt im Großen wie im Kleinen, z. B. wenn es um aktuelle Anforderungen bestehender oder neuer Kunden geht. Erkenntnisse und Einschätzungen werden geteilt und offen diskutiert. Hierbei zählt, wie oben beschrieben, die bei den anderen Teilnehmern erzeugte Resonanz, nicht von wem eine Erkenntnis oder Einschätzung kommt. Es gilt für die gesamte agile Organisation, relevante Stimmungen und Trends wahrzunehmen und zu verstehen, um die richtigen Maßnahmen für die Kunden und den zukünftigen Markt ergreifen zu können.
Hierfür braucht es gut organisierte Prozesse – eine zentrale Herausforderung, vor allem für die Führung in einer agilen Organisation. Dazu gehören auch entsprechende Arbeitsmethoden, wie z. B. Scrum oder Design Thinking. Klare und konsequent umgesetzte Arbeitsstrukturen und eine hohe Kundenfokussierung haben sich angesichts der komplexen Aufgabenstellung bewährt. Ein wichtiges Element dieses Methodenframeworks sind spezielle Meeting-Formate. Das Daily Standup Meeting ist vermutlich das bekannteste. Darunter versteht man eine tägliche etwa viertelstündige Einsatzbesprechung für den jeweiligen Tag, in der sich alle Teilnehmer gegenseitig informieren und abstimmen.
Wie geht es weiter?
Wenn von agiler Organisation die Rede ist, fällt ziemlich schnell das Stichwort „Startups“. Inwieweit Startups agil sind, möchte ich mir demnächst etwas näher anschauen.
Ludger Grevenkamp 28. Dezember 2018
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Auch die Mitarbeiter wünschen sich Führung 4.0. Die Beschäftigten in Deutschland werden heute mehrheitlich (54 % gemäß der in einem früheren Beitrag(Führungskultur verändern) erläuterten Studie von StepStone und Kienbaum) direktiv geführt. Dabei wünscht sich der weit überwiegende Anteil der Mitarbeiter (94 %) einen transformationalen Führungsstil. Sie wünschen sich eine Führungskraft, „die als Vorbild dient, eine Vision vermittelt und ihre Mitarbeiter motiviert“.
Wie richtig die Mitarbeiter mit ihrer Einschätzung liegen, ist u. a. Inhalt dieses Beitrags.
Management vs. Leadership
Seit den 80er Jahren wurde, wieder vor allem in den USA, intensiv über den Unterschied zwischen Management und Leadership diskutiert. Angeregt hatte diese Diskussion vor allem der Harvard-Professor, John P. Kotter.
Wie werden Management und Leadership definiert?
Management
Das Gabler Wirtschaftslexikon zitiert Peter Drucker mit: „Im Sinne einer zielgerichteten Tätigkeit (Funktion des Managements) sind die Aufgaben des Managements (1) die Festlegung von Zielen der Organisation, (2) die Entwicklung einer Strategie zur Zielerreichung, (3) die Organisation und Koordination der Produktionsfaktoren und die Führung der Mitarbeiter und/oder Freiwilligen zum Zweck der Produktion von privaten oder öffentlichen Gütern. Als solches ist Management eine Grundtätigkeit und Kernfunktion moderner Gesellschaften.“
UnterBWL-Wissen.net ist kompakt zu lesen: „Management ist die Koordination der Aktivitäten in einem Unternehmen mit dem Zweck, vorgegebene Ziele zu erreichen.“
Ein Manager wird sehr wesentlich durch seine Position im Unternehmen definiert.
Management ist gefragt, wenn es um Aufgaben und Herausforderungen geht, die denen in der Vergangenheit zumindest ähneln. Kurz – wenn es um ein bekanntes Umfeld geht. Hier existieren erfolgsorientierte Methoden, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. In diesem Zusammenhang sprechen wir auch von den so genannten “harten Faktoren” bzw. “hard skills”.
Leadership
Um Leadership zu erläutern, zitiere ich Peter Drucker und ergänze sie um Aussagen von John P. Kotter und Jack Welch, dem CEO von General Electric von 1981-2001. Weitere Ausführungen dazu finden Sie auch auf www.leadershipjournal.de.
The only definition of a leader is someone who has followers. […]
An effective leader is not someone who is loved or admired. He or she is someone whose followers do the right things. Popularity is not leadership. Results are.
Leaders are highly visible. They therefore set examples.
Leadership is not rank, privileges, titles, or money. It is responsibility.
(Drucker, Peter F.: Foreword, in: Francis Hesselbein et al.: The Leader of the Future – New Visions, Strategies, and Practices for the Next Era, New York 1996, S. xii)
Leadership defines what the future should look like, aligns people with that vision, and inspires them to make it happen despite the obstacles. (Kotter, John P.: Leading Change, S. 25, Boston 2012, S. 25)
Before you are a leader, success is all about growing yourself. When you become a leader, success is all about growing others. (Welch, Jack und Welch, Suzy: Winning, New York 2005, S. 80)
Für den „Leader“ steht sein Wirken im Vordergrund. Nicht die Position im Unternehmen.
Leadership ist gefragt, wenn es um schwer einschätzbare zukünftige Entwicklungen, Technologien und Prozesse sowie andere neuartige Herausforderungen geht. Um weitgehend unbekanntes Terrain, um „Neuland“. Hier gilt es Prozesse zu finden und zu definieren, die zu guten Ergebnissen führen. Ein „Leader“ versteht, die Mitarbeiter zu inspirieren, zu motivieren und zu befähigen für die gemeinsamen Ziele und Aufgaben. Es zählen vor allem die so genannten „weichen Faktoren“ oder „soft skills“.
In der nachfolgenden Übersicht habe ich zentrale Aspekte von Management und Leadership gegenübergestellt.
Leadership ist keine Alternative zu Management – oder umgekehrt. Das eine ersetzt nicht das andere. Beide sind gleichermaßen wichtig, in Zukunft mehr denn je. Weder ist immer alles „Neuland“, noch ist alles immer „Bekanntes Umfeld“.
Die Praxis zeigt, dass Führungskräfte, die beide Fähigkeiten, Management und Leadership, besitzen, mit weit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind.
Führung 4.0
Wir leben in einer Zeit des schnellen Wandels. Die rasanten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die Globalisierung und Demografie haben zu einem Marktumfeld von erheblicher Komplexität geführt. Gemäß der obigen Beschreibung von Leadership geht es heute vielfach um „schwer einschätzbare Technologien und Prozesse sowie andere neuartige Herausforderungen“.
Das klassische Führungsbild wird dem nicht mehr gerecht. Vorsichtig formuliert, ist es inzwischen „suboptimal“. Management-Fähigkeiten allein reichen längst nicht mehr. Mit einem vorwiegend direktiven Führungsstil ist es deutlich schwerer, in dem sich schnell wandelnden und komplexen Marktumfeld erfolgreich zu sein.
So wie wir unser Unternehmen strategisch für bestehende und zukünftige Herausforderungen ausrichten und den sich immer wieder ändernden Marktgegebenheiten anpassen, brauchen wir auch eine dazu passende Führung.
Wir brauchenFührung 4.0. – Heute!
Die klassisch hierarchische Organisationsform hat ausgedient und wandelt sich zu einer netzartigen Struktur. Nicht das Organigramm, sondern die jeweiligen Herausforderungen und Kompetenzen der Beschäftigten entscheiden darüber, wer mit wem und wie zusammenarbeitet, um Lösungen zu entwickeln. Entscheidend ist der Beitrag, den der Einzelne zum angestrebten Ergebnis leisten kann. Das gilt auch für Führungskräfte.
Solch ein Arbeitsumfeld erfordert einen kooperativen und partizipativen Führungsstil mit großem Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter, idealerweise ergänzt um situative Führung). Genau das, was sich, wie eingangs erwähnt, 94 % der Befragten wünschen.
Dies stellt eine enorme Herausforderung für alle Führungskräfte dar, die sich immer als Vordenker und weitgehend Verantwortlicher verstanden haben. Sie müssen lernen, die Mitarbeiter mitzunehmen, sie zu inspirieren, zu motivieren und zu befähigen für die gemeinsamen Ziele und Aufgaben: Führung 4.0.
Management by Objectives ist auch weiterhin eine geeignete Führungstechnik, allerdings mit Anpassungen an die oben beschriebenen Entwicklungen:
Die Zeiträume, auf die sich Ziele beziehen, werden kürzer. Angesichts der schwerer einschätzbaren zukünftigen Entwicklungen müssen die Ziele den Mitarbeitern als realistisch und nachvollziehbar vermittelt werden können. Das schließt längerfristige strategische „Absichten“ im Unternehmen keineswegs aus.
Damit eventuell notwendige Steuerungs- und Korrekturmaßnahmen zeitnah erfolgen können, sind mehr Feedback- und Kontrollschleifen als früher vorzusehen.
Die Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist von herausragender Wichtigkeit und nimmt dementsprechend einen deutlich größeren Raum ein.
Wie geht es weiter?
Immer häufiger wird heute über Agilität, agile Organisation oder agile Führung gesprochen und geschrieben. Was sich dahinter verbirgt und wo und wann diese Art der Organisation und Führung erfolgreich ist, werde ich in einem nächsten Beitrag erläutern.
Ludger Grevenkamp 30. November 2018
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In meinem Blog „Führungskultur verändern“, Ende August 2018, habe ich betont, wie wichtig die Führungskultur für den Erfolg der Unternehmensstrategie ist. Beginnend mit diesem Beitrag gehe ich bezüglich „Führung“ stärker ins Detail.
Klassisches Führungsbild
Heute dominiert in Deutschland das klassische Führungsbild.
Dessen Ursprünge liegen im Militärwesen. Mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde das „militärische Führungsmodell“ auf die zunehmend größer werdenden Unternehmen übertragen. Die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer haben zwar im Laufe der folgenden Jahrzehnte deutlich an Gewicht gewonnen, aber im Kern hat sich in Deutschland bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts an dem streng hierarchischen Führungsmodell nur wenig geändert.
Es waren vor allem die US-amerikanischen Universitäten, die ab dem zweiten Weltkrieg begannen, sich mit Führung wissenschaftlich zu beschäftigen. Einer der renommiertesten Vertreter war der 1909 in Wien geborene und 1937 in die USA übersiedelte Peter Drucker. Er gilt als Pionier der modernen Managementlehre.
Unter anderem entwickelte er 1954 das Management by Objectives, das sich seit den 60er Jahren zur wichtigsten Führungstechnik in Deutschland entwickelt hat. Das „Führen mit Zielen“ oder das „Führen durch Zielvereinbarung“ ist ein zentrales Merkmal des klassischen Führungsbildes.
Weitere Merkmale sind eine überwiegend hierarchische Organisation sowie ein autoritärer, patriarchalischer, hierarchischer oder direktiver Führungsstil: Der Entscheidungsspielraum des Chefs ist eindeutig dominierend. Oder umgangssprachlich formuliert: „Der Chef sagt, wo es lang geht.“
Managerial Grid / Verhaltensgitter
Ein weiteres Beispiel für die wissenschaftliche Beschäftigung mit „Führung“ stellt das „Managerial Grid“ dar, zu Deutsch „Verhaltensgitter“. Es wurde 1964 in den USA an der Ohio State University für das Unternehmen ExxonMobil entwickelt.
Verschiedene Führungsstile können hier gemäß „Mitarbeiterorientierung (sozio-emotionalen Aspekten)“ und „Aufgabenorientierung (sach-rationalen Aspekten)“ übersichtlich und leicht verständlich eingeordnet werden.
Heutige Führungsstile / Situative Führung
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert den Begriff „Führungsstil“ als „typische Art und Weise des Verhaltens von Vorgesetzten gegenüber einzelnen Mitarbeitern und Gruppen von Mitarbeitern“.
Heute finden wir in Deutschland vor allem die nachstehend skizzierten Führungsstile vor:
Beherrscht eine Führungskraft eine entsprechende Vielfalt von Führungsstilen und wendet diese je nach aktuellen Rahmenbedingungen an, vor allem in Abhängigkeit von der Situation des jeweiligen Mitarbeiters und der Beziehung zu ihm, sprechen wir von „Situativer Führung“.
Wie Sie sich leicht vorstellen können, ist ein situativer Führungsstil einem unflexiblen und unangepassten Führungsverhalten weit überlegen.
Wie geht es weiter?
Nach „Führungskultur verändern“ und diesem Beitrag geht es beim nächsten Beitrag um Zukünftige Führung, um „Führung 4.0“.
Ludger Grevenkamp 20. November 2018
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Sie sind Unternehmer und Sie haben sich entschieden, Ihr Unternehmen zu verkaufen?
Eine Nachfolge innerhalb der Familie scheidet aus? Ein Verkauf an Mitarbeiter (MBO) ist nicht möglich?
Es bleibt Ihnen der Verkauf an Externe:
Externes Management (Management-Buy-in, MBI)
Anderes Unternehmen (aus derselben oder aus einer anderen Branche)
Finanzinvestor (vor allem Private Equity Fonds, Evergreen-Fonds, Industrieholdings, Family Offices, Beteiligungsgesellschaften der Länder)
Grundsätzlich gilt:
Der Verkaufsprozess sollte möglichst umfassend vonstattengehen. Das heißt: Sprechen Sie durchaus mit verschiedenen Externen, z. B.: mit Finanzinvestoren und anderen Unternehmen. Keine Tür vorzeitig zu machen! Denn es gilt, ein möglichst gutes Verkaufsergebnis zu erzielen.
Aber – und das ist die Kernfrage:
Was ist ein „möglichst gutes Verkaufsergebnis“?
Woran machen Sie (wirklich) fest, ob es ein guter Verkauf war?
Die Antwort auf diese Frage ist so zentral und so wichtig, dass es fast immer sinnvoll ist, hierfür externe Unterstützung z. B. einen Berater oder Business Coach in Anspruch zu nehmen.
Als Antworten auf obige Fragen habe ich öfter gehört: „Der Preis muss stimmen“ oder „ein möglichst hoher Preis“. Ich höre aber auch „Dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern soll es weiterhin gut gehen.“„Ich möchte mich im Ort noch blicken lassen können.“
Irgendwann kommt dann meistens der Zusatz: „Aber das andere muss natürlich auch stimmen.“ oder „Eigentlich beides.“
Aber wie viel vom Einen und wie viel vom Anderen? – Das ist äußerst wichtig, um die Frage nach dem möglichst guten Verkaufsergebnis für Sie selbst richtig beantworten zu können.
Wenn wir einmal ausschließen, dass Sie wegen äußerer Zwänge oder aus einer Notlage heraus verkaufen müssen, können wir feststellen:
Je geringer die Identifikation mit dem Unternehmen ist, umso ausschlaggebender ist der Preis.
Und umgekehrt: Je mehr Herzblut im Unternehmen steckt, je mehr Stolz Sie auf das Erreichte empfinden, je intensiver Ihre Beziehungen sind zu Mitarbeitern, deren Angehörigen und anderen Personen, die Sie im Laufe der Zeit im Zusammenhang mit Ihrem Unternehmen kennen gelernt haben, umso eher rückt der Preis in die zweite Reihe. Wichtiger ist Ihnen in dem Fall vermutlich, wie es mit dem Unternehmen weiter geht.
Verkaufspreis
Der Preis ist allerdings nicht unbedingt einfach festzustellen. Sie verkaufen schließlich nicht eine neue Jeans oder ein Kilo Äpfel. Häufig besteht schon der Preis, der am Schluss im Vertrag zu lesen ist, aus mehreren Komponenten, deren Gegenwartswert keinesfalls feststeht.
Ein erster Teil des Kaufpreises ist fast immer bei Vertragsabschluss fällig. Der nächste Teil ist vielleicht abhängig vom Ergebnis (EBIT, EBITDA usw.) des gerade begonnenen Wirtschaftsjahres („Earn-out-Vereinbarung“), ein weiterer Teil dann vom Ergebnis des nächsten Wirtschaftsjahres usw.
Vielleicht ist auch nicht das Unternehmensergebnis die einzige Bezugsgröße für den entsprechenden Verkaufspreisanteil, sondern z. B. der Erfolg eines bestimmten Projekts oder Produkts.
Möglicherweise erwartet der Käufer vom Verkäufer auch die Stundung eines Teils des ausgehandelten Preises in Form eines Verkäuferdarlehens mit entsprechenden, durchaus auch mal variablen Konditionen.
Im Kaufvertrag können sich etliche Bedingungen oder Vereinbarungen verbergen, deren genauere geldwerte Bedeutung sich erst im Nachhinein herausstellt.
Fast immer haftet der Verkäufer auch in bestimmtem Umfang z. B. bei Steuerprüfungen, bei Umweltaspekten, bei eventuell nicht korrekt eingeholten Genehmigungen usw.
Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ein Käufer einzelne Vereinbarungen später nachverhandeln möchte oder Sie Ihre Ansprüche gar gerichtlich geltend machen müssen.
Im Ergebnis heißt dies, bei Vertragsabschluss können Sie den Verkaufspreis höchstens schätzen, irgendwo zwischen „best case“ und „worst case“. Den tatsächlich erzielten Preis kennen Sie erst Jahre später und wohl auch nur bei entsprechend sorgfältiger Buchführung.
Weitere Unternehmensentwicklung
Den wirklichen Verkaufspreis zu kennen ist also nicht ganz einfach. Die Beurteilung der weiteren Unternehmensentwicklung ist aber noch um Einiges schwieriger. Es beginnt schon mit diversen grundsätzlichen Fragestellungen (nur beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Bleibt das Unternehmen eigenständig am Markt?
Wie entwickelt bzw. ändert sich die Strategie des Unternehmens nach Verkauf?
Wird das verkaufte Unternehmen durch weiteren Zukauf vergrößert oder werden einzelne Unternehmensteile weiterverkauft?
Ändert sich die Struktur des Unternehmens? Wird es aufgespalten, möglicherweise mit anderen Unternehmensteilen des Käufers verschmolzen?
Darüber hinaus bleibt die allgemein komplexe Fragestellung: Wie bewerte ich überhaupt eine Unternehmensentwicklung?
Sind es Bilanzkennzahlen?
Ist es der erreichte Marktanteil, der Ergebnisvergleich innerhalb der Branche, oder sind es bestimmte Kennzahlen, die die Wettbewerbsfähigkeit widerspiegeln?
Ist es die Kundenzufriedenheit, die Attraktivität des Unternehmens aus Sicht der Mitarbeiter, das Verhalten in Umweltfragen oder die gesellschaftliche Anerkennung?
Oder ein Mix von all dem?
Darüber hinaus können Sie die tatsächlich stattgefundene Unternehmensentwicklung auch nicht wirklich vergleichen, im Sinne von: Wie hätte sich das Unternehmen entwickelt, wenn Sie es nicht verkauft hätten? Oder gar, wie hätte es sich entwickelt, wenn Sie es nicht an A, sondern an B verkauft hätten?
Rückmeldungen früherer Weggefährten sind meistens subjektiv. Äußerungen und Berichte anderer Personen, die die Entwicklung des Unternehmens begleitet haben und weiterhin begleiten, sind nicht immer einfach einzuordnen.
Schließlich entscheidet Ihr eigener „subjektiver Gesamteindruck“, ob sich das Unternehmen gut entwickelt hat.
Kommen wir zurück zur Frage:
Woran machen Sie (wirklich) fest, ob es ein guter Verkauf war?
Es genügt nicht, den Verkaufsprozess zu starten mit einer ungefähren Höhe des erwarteten Verkaufspreises und einer groben Vorstellung, was denn eine gute Unternehmensentwicklung wäre.
Wer nicht weiß, wo er hinwill, darf nicht enttäuscht sein, wenn er woanders ankommt.
Dieser Satz gilt auch und erst recht für den Verkauf des Unternehmens. Gerade, wenn es das vielleicht einzige Mal ist, dass Sie ein, nämlich Ihr Unternehmen verkaufen.
Deshalb versuchen Sie herauszufinden, wie wichtig Ihnen die einzelnen Aspekte des Verkaufs tatsächlich sind. Nach meiner Erfahrung ist dies, wie schon angemerkt, allein, ohne qualifizierten und neutralen Gesprächspartner, äußerst schwierig.
Während des gesamten Verkaufsprozesses werden Ihnen die hierdurch gefundenen Antworten immer wieder helfen. Vor allen Dingen aber erhöhen Sie ganz erheblich die Wahrscheinlichkeit, dass Sie später im Rückblick sagen können: „Ja, es war eine gute Entscheidung. Mit den Informationen, die ich damals hatte, würde ich mich heute wieder so entscheiden.“
Ludger Grevenkamp 5. Oktober 2018
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der zehn Blog-Beiträge zu diesem Thema seit März 2018
Digitalisierung und Internet
Deutschland hat wichtige Entwicklungen der Digitalisierung verschlafen. Oder sollte ich lieber sagen: „hat sie weitgehend anderen überlassen“? Fast alle relevanten Marktpositionen in der westlichen Welt sind heute von US-amerikanischen Unternehmen besetzt. Die Verantwortlichen in Deutschland, in allen Bereichen der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, haben nicht (rechtzeitig) verstanden, was Digitalisierung bedeutet und wie dynamisch sich diese entwickelt. Laut jüngster Bundestagsdebatte liegt Deutschland in Europa bei der Digitalisierung auf Platz 21.
Nicht nur die digitalen Technologien werden von amerikanischen Firmen beherrscht. Auch der Löwenanteil aller Informationen über die Nutzer digitaler Techniken sowie über die Unternehmen und ihre Beschäftigten befindet sich in US-Hand. Der EU-Kommissar Günther Oettinger hat vor kurzem provokant formuliert: „Wir reden von Datenschutz – die von Datennutzung!“
Die Brisanz dieses Sachverhalts und, was sich daraus entwickeln wird, kann meines Erachtens kaum überbewertet werden. Bill Gates, der Gründer von Microsoft, hat das treffend auf den Punkt gebracht: „Wir überschätzen, was in einem Jahr geschieht, und unterschätzen, was in zehn Jahren geschehen kann.“
Digitalisierung und Globalisierung, Demografie, Gesellschaft
Aber wir können Digitalisierung nicht losgelöst von anderen großen Veränderungen unseres weltweiten Umfeldes betrachten. Und auch die Aussage von Bill Gates trifft in gleicher Weise auf andere Entwicklungen in der Welt zu.
Die Globalisierung und das weit überproportionale Wachstum in Asien erzeugen einen gewaltigen Druck auf unsere Wettbewerbsfähigkeit. Heute schon ist China das größte Exportland der Welt. In 20 bis 30 Jahren wird sich Indien mit seinen dann vermutlich etwa 1,5 Milliarden Menschen mit dem zweiten Platz dahinter einreihen. Experten sprechen längst vom 21. Jahrhundert als dem eurasisch-asiatischen Jahrhundert.
Und – welchen Einfluss wird Afrika mit seinem explosionsartigen Bevölkerungswachstum auf unsere Welt nehmen? Dies ist ein völlig anderer aber riesiger Fragenkomplex mit noch ganz wenigen brauchbaren Antworten.
Deutschland bekommt die Folgen seiner demografischen Entwicklung voll zu spüren. In den nächsten 10 bis 15 Jahren verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge der so genannten Baby Boomers aus dem Arbeitsleben. In der Altersgruppe 0 – 5 Jahre beträgt laut Statistischem Bundesamt der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund derzeit 38 %, bei einem Migrationsanteil im Durchschnitt der gesamten deutschen Bevölkerung von 23 %. Und wir erleben fast täglich, wie schwer wir uns mit der Integration von Flüchtlingen und Migranten tun.
All diese Randbedingungen und Entwicklungen beeinflussen massiv unseren Arbeitsmarkt und die Arbeitsinhalte. Zwar ist kein genereller Mangel an Arbeit zu befürchten. Aber die gewaltigen weltweiten Veränderungen in Technologie, Wirtschaft, Demografie und Gesellschaft werden unsere Arbeitswelt in extrem kurzer Zeit grundlegend umkrempeln. Mit den damit verbundenen persönlichen Auswirkungen und Belastungen werden viele Menschen in unserem Land zu kämpfen haben.
Digitalisierung in technischen Bereichen
Die etwas bessere Nachricht im Bereich Digitalisierung: Deutschland scheint langsam aufzuwachen. Die Unternehmen begreifen zunehmend die großen digitalen Herausforderungen. So versucht zum Beispiel die Automobilindustrie mit riesigem Investment, auf dem Feld des Megatrends Mobilität Boden gut zu machen, nachdem sie in Sachen E-Mobilität von Tesla vorgeführt wurden. In wichtigen, vor allem industrienahen Zukunftsbereichen der digitalen Technologien, z. B.: Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz, 3D-Druck, hat Deutschland durchaus einiges zu bieten.
Digitalisierung in Politik und Bildungswesen
Wie gerade skizziert, stehen unsere Politiker vor extrem großen und komplexen Herausforderungen in nahezu allen Politik-Bereichen. Aber entschuldigt dies das Schneckentempo, in dem Behörden und Bildungswesen in der Digitalisierung hinterher kriechen?
Der ausgeprägte Mangel an Fach- und Führungskräften, vor allem in technischen Bereichen, ist großenteils auf die Untätigkeit der Politik zurückzuführen. Dieser Mangel beeinträchtigt inzwischen nicht nur das Wachstum unserer Wirtschaft, sondern behindert uns auch in der „digitalen Aufholjagd“.
Das Bewusstsein für Cyberrisiken und für die Chancen und Risiken moderner Datenanalyse-Techniken, wie z. B. Data Mining, sind noch viel zu wenig ausgeprägt. Man kann sicher trefflich darüber streiten, ob die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) digitalen Fortschritt bedeutet.
Die Bundesregierung hat jüngst einige Maßnahmen in Sachen Digitalisierung medienwirksam verkündet: eine Staatsministerin für Digitalisierung (Dorothee Bär), den kürzlich ins Leben gerufenen Digitalrat oder die „Agentur für Innovationen in der Cybersicherheit (ADIC)“. Aber was werden diese und bis wann bewirken?
Bleiben noch die uns vom Ausland bzgl. Wirtschaft und Technik nachgesagten „Tugenden“, wie Zuverlässigkeit, Disziplin, pragmatische Vorgehensweise, gesellschaftliche Stabilität usw.
Reichen diese „Erfolgsfaktoren“ aus, um unsere Versäumnisse in anderen Bereichen wett zu machen?
Vermutlich können wir diese Frage erst in fernerer Zukunft beantworten. Auf jeden Fall sind wir gut beraten, alles MÖGLICHE zu tun, und das auch BALD, wenn Deutschland in der zunehmend digitalisierten Welt noch einen guten Platz erringen soll.
Nachwort
Ein komplexes Thema wie „Digitalisierung“, über das inzwischen Hunderte von Büchern und Tausende von Berichten veröffentlicht wurden, kann nicht auf wenigen Seiten umfassend beschrieben werden.
Im Kern ging es mir darum, Ihnen einen guten Überblick zu ermöglichen und wichtige Aspekte der Digitalisierung näherzubringen. Und das möglichst klar und aus verschiedenen Blickwinkeln heraus.
Denn, um zielführende, wirksame Maßnahmen für die digitale Transformationplanen und umsetzen zu können, benötigen wir ein gutes Verständnis von „Was ist Digitalisierung?“
Ludger Grevenkamp 19. September 2018
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Die Rückmeldungen auf die Zusammenfassung der Beiträge über Fehlerkultur waren durchweg sehr positiv. Deshalb jetzt auch hier meine Beiträge zu „Was ist Digitalisierung?“ in einem PDF
Gleich mehrere meiner Blog-Leser haben mich mit der Idee konfrontiert, doch alle Beiträge zur Fehlerkultur zu einem Dokument zusammen zu fassen. Ganz herzlichen Dank für diese Anregung, der ich hiermit gern nachkomme.
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