Auch die Mitarbeiter wünschen sich Führung 4.0. Die Beschäftigten in Deutschland werden heute mehrheitlich (54 % gemäß der in einem früheren Beitrag (Führungskultur verändern) erläuterten Studie von StepStone und Kienbaum) direktiv geführt. Dabei wünscht sich der weit überwiegende Anteil der Mitarbeiter (94 %) einen transformationalen Führungsstil. Sie wünschen sich eine Führungskraft, „die als Vorbild dient, eine Vision vermittelt und ihre Mitarbeiter motiviert“.
Wie richtig die Mitarbeiter mit ihrer Einschätzung liegen, ist u. a. Inhalt dieses Beitrags.
Management vs. Leadership
Seit den 80er Jahren wurde, wieder vor allem in den USA, intensiv über den Unterschied zwischen Management und Leadership diskutiert. Angeregt hatte diese Diskussion vor allem der Harvard-Professor, John P. Kotter.
Wie werden Management und Leadership definiert?
Management
Das Gabler Wirtschaftslexikon zitiert Peter Drucker mit: „Im Sinne einer zielgerichteten Tätigkeit (Funktion des Managements) sind die Aufgaben des Managements (1) die Festlegung von Zielen der Organisation, (2) die Entwicklung einer Strategie zur Zielerreichung, (3) die Organisation und Koordination der Produktionsfaktoren und die Führung der Mitarbeiter und/oder Freiwilligen zum Zweck der Produktion von privaten oder öffentlichen Gütern. Als solches ist Management eine Grundtätigkeit und Kernfunktion moderner Gesellschaften.“
Unter BWL-Wissen.net ist kompakt zu lesen: „Management ist die Koordination der Aktivitäten in einem Unternehmen mit dem Zweck, vorgegebene Ziele zu erreichen.“
Ein Manager wird sehr wesentlich durch seine Position im Unternehmen definiert.
Management ist gefragt, wenn es um Aufgaben und Herausforderungen geht, die denen in der Vergangenheit zumindest ähneln. Kurz – wenn es um ein bekanntes Umfeld geht. Hier existieren erfolgsorientierte Methoden, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. In diesem Zusammenhang sprechen wir auch von den so genannten “harten Faktoren” bzw. “hard skills”.
Leadership
Um Leadership zu erläutern, zitiere ich Peter Drucker und ergänze sie um Aussagen von John P. Kotter und Jack Welch, dem CEO von General Electric von 1981-2001. Weitere Ausführungen dazu finden Sie auch auf www.leadershipjournal.de.
- The only definition of a leader is someone who has followers. […]
- An effective leader is not someone who is loved or admired. He or she is someone whose followers do the right things. Popularity is not leadership. Results are.
- Leaders are highly visible. They therefore set examples.
- Leadership is not rank, privileges, titles, or money. It is responsibility.
(Drucker, Peter F.: Foreword, in: Francis Hesselbein et al.: The Leader of the Future – New Visions, Strategies, and Practices for the Next Era, New York 1996, S. xii)
Leadership defines what the future should look like, aligns people with that vision, and inspires them to make it happen despite the obstacles.
(Kotter, John P.: Leading Change, S. 25, Boston 2012, S. 25)
Before you are a leader, success is all about growing yourself. When you become a leader, success is all about growing others.
(Welch, Jack und Welch, Suzy: Winning, New York 2005, S. 80)
Für den „Leader“ steht sein Wirken im Vordergrund. Nicht die Position im Unternehmen.
Leadership ist gefragt, wenn es um schwer einschätzbare zukünftige Entwicklungen, Technologien und Prozesse sowie andere neuartige Herausforderungen geht. Um weitgehend unbekanntes Terrain, um „Neuland“. Hier gilt es Prozesse zu finden und zu definieren, die zu guten Ergebnissen führen. Ein „Leader“ versteht, die Mitarbeiter zu inspirieren, zu motivieren und zu befähigen für die gemeinsamen Ziele und Aufgaben. Es zählen vor allem die so genannten „weichen Faktoren“ oder „soft skills“.
In der nachfolgenden Übersicht habe ich zentrale Aspekte von Management und Leadership gegenübergestellt.
Leadership ist keine Alternative zu Management – oder umgekehrt. Das eine ersetzt nicht das andere. Beide sind gleichermaßen wichtig, in Zukunft mehr denn je. Weder ist immer alles „Neuland“, noch ist alles immer „Bekanntes Umfeld“.
Die Praxis zeigt, dass Führungskräfte, die beide Fähigkeiten, Management und Leadership, besitzen, mit weit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind.
Führung 4.0
Wir leben in einer Zeit des schnellen Wandels. Die rasanten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die Globalisierung und Demografie haben zu einem Marktumfeld von erheblicher Komplexität geführt. Gemäß der obigen Beschreibung von Leadership geht es heute vielfach um „schwer einschätzbare Technologien und Prozesse sowie andere neuartige Herausforderungen“.
Das klassische Führungsbild wird dem nicht mehr gerecht. Vorsichtig formuliert, ist es inzwischen „suboptimal“. Management-Fähigkeiten allein reichen längst nicht mehr. Mit einem vorwiegend direktiven Führungsstil ist es deutlich schwerer, in dem sich schnell wandelnden und komplexen Marktumfeld erfolgreich zu sein.
So wie wir unser Unternehmen strategisch für bestehende und zukünftige Herausforderungen ausrichten und den sich immer wieder ändernden Marktgegebenheiten anpassen, brauchen wir auch eine dazu passende Führung.
Wir brauchen Führung 4.0. – Heute!
Die klassisch hierarchische Organisationsform hat ausgedient und wandelt sich zu einer netzartigen Struktur. Nicht das Organigramm, sondern die jeweiligen Herausforderungen und Kompetenzen der Beschäftigten entscheiden darüber, wer mit wem und wie zusammenarbeitet, um Lösungen zu entwickeln. Entscheidend ist der Beitrag, den der Einzelne zum angestrebten Ergebnis leisten kann. Das gilt auch für Führungskräfte.
Solch ein Arbeitsumfeld erfordert einen kooperativen und partizipativen Führungsstil mit großem Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter, idealerweise ergänzt um situative Führung). Genau das, was sich, wie eingangs erwähnt, 94 % der Befragten wünschen.
Dies stellt eine enorme Herausforderung für alle Führungskräfte dar, die sich immer als Vordenker und weitgehend Verantwortlicher verstanden haben. Sie müssen lernen, die Mitarbeiter mitzunehmen, sie zu inspirieren, zu motivieren und zu befähigen für die gemeinsamen Ziele und Aufgaben: Führung 4.0.
Management by Objectives ist auch weiterhin eine geeignete Führungstechnik, allerdings mit Anpassungen an die oben beschriebenen Entwicklungen:
- Die Zeiträume, auf die sich Ziele beziehen, werden kürzer. Angesichts der schwerer einschätzbaren zukünftigen Entwicklungen müssen die Ziele den Mitarbeitern als realistisch und nachvollziehbar vermittelt werden können. Das schließt längerfristige strategische „Absichten“ im Unternehmen keineswegs aus.
- Damit eventuell notwendige Steuerungs- und Korrekturmaßnahmen zeitnah erfolgen können, sind mehr Feedback- und Kontrollschleifen als früher vorzusehen.
- Die Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist von herausragender Wichtigkeit und nimmt dementsprechend einen deutlich größeren Raum ein.
Wie geht es weiter?
Immer häufiger wird heute über Agilität, agile Organisation oder agile Führung gesprochen und geschrieben. Was sich dahinter verbirgt und wo und wann diese Art der Organisation und Führung erfolgreich ist, werde ich in einem nächsten Beitrag erläutern.
Ludger Grevenkamp
30. November 2018
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